FORTFÜHRUNGS­PROGNOSE:
BESONDERHEITEN FÜR STARTUPS

Die Erstellung einer Fortführungs­prognose stellt für Start-ups eine besondere Heraus­forderung dar, da sie sich in frühen Entwicklungs­phasen häufig durch hohe Investitionen und anfängliche Verluste auszeichnen. Traditionelle Maßstäbe zur Beurteilung der Fortführungs­fähigkeit stoßen hier oft an ihre Grenzen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 20. Juli 2021 (Az. 12 W 7/21) klargestellt, dass bei der Über­schuldungs­prüfung von Start-ups angepasste Kriterien gelten müssen.

Ausgangslage

Rechtlicher Hintergrund der Fortführungsprognose

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenz­ordnung (InsO) liegt eine Über­schuldung vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist innerhalb der nächsten zwölf Monate überwiegend wahrscheinlich. Die Feststellung einer positiven Fortführungs­prognose erfordert somit eine sorgfältige Analyse der zukünftigen Liquiditäts­ströme des Unternehmens und im Ergebnis eine 12-monatige Liquiditäts­planung, die durchgehend eine Über­deckung ausweist.

Besonderheiten bei Start-ups

Start-ups befinden sich typischer­weise in einer Phase, in der sie noch keine Gewinne erwirtschaften und auf externe Finanzierung angewiesen sind. Die klassische Anforderung an eine positive Fortführungs­prognose, die auf der Ertrags­fähigkeit basiert, ist daher für diese Unternehmen nicht immer passend.

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 20. Juli 2021 (Az. 12 W 7/21) entschieden, dass bei Start-ups die regulären Kriterien der Überschuldungs­prüfung nicht unein­geschränkt anwendbar sind. Stattdessen kann eine positive Fortführungs­prognose auch dann vorliegen, wenn ein externer Investor glaubhaft seine Bereitschaft zur weiteren Finanzierung signalisiert, selbst wenn diese Zusage nicht rechtlich bindend ist. Entscheidend ist, dass ein nachvoll­ziehbares und realistisches operatives Konzept vorliegt, das eine zukünftige Ertrags­fähigkeit erwarten lässt.

Anforderungen an die Finanzierungs­zusagen

In der Praxis sind rechtlich bindende Finanzierungs­zusagen über den gesamten Prognose­zeitraum von zwölf Monaten selten. Dennoch kann eine positive Fortführungs­prognose gerechtfertigt sein, wenn eine realistische Finanz­planung vorliegt und die bisherigen Investoren ihre grundsätzliche Bereitschaft zur weiteren Unterstützung signalisiert haben. Es genügt, wenn es nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Investor die Finanzierung einstellt. Diese Sichtweise trägt den besonderen Umständen von Start-ups Rechnung und verhindert, dass junge Unternehmen allein aufgrund fehlender Gewinne als überschuldet gelten.

Unterschiede zwischen Finanzierungszusagen von Gesellschaftern und fremden Dritten

Ein wesentlicher Aspekt bei der Beurteilung einer positiven Fortführungs­prognose ist die Herkunft der Finanzierungs­zusagen. Dabei ist zwischen Zusagen von Gesellschaftern und solchen von externen Dritten zu unterscheiden:

  • Finanzierungszusagen von externen Dritten: Zusagen von Banken, institutionellen Investoren oder sonstigen externen Kapital­gebern werden grundsätzlich als belastbarer angesehen. Sie müssen jedoch hinreichend konkret sein, um als Grundlage für eine positive Fortführungs­prognose zu dienen. Insbesondere sollten Verträge oder unverbindliche Term Sheets vorliegen, die eine fortgesetzte Finanzierung plausibel erscheinen lassen.
  • Finanzierungszusagen von Gesellschaftern: Diese sind einer kritischen Prüfung zu unterziehen, da sie häufig nicht denselben Verbind­lichkeits­grad aufweisen wie Zusagen von externen Investoren oder Banken. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Gesellschafters, seine bisherige Kapital­bereit­stellung sowie die Wahrschein­lichkeit der tatsächlichen Mittel­zuführung sind dabei zentrale Bewertungsaspekte. Besondere Bedeutung kommt Patronats­erklärungen zu, die in formeller und informeller Form abgegeben werden können. Während harte Patronats­erklärungen eine rechtlich bindende Verpflichtung zur Kapital­vausstattung darstellen und als tragfähige Finanzierungs­quelle gewertet werden können, sind weiche Patronats­erklärungen lediglich Absichts­erklärungen und daher für die Fortführungs­prognose nur eingeschränkt geeignet.

Die Unterscheidung ist essenziell, da die Fortführungs­prognose maßgeblich von der Wahrschein­lichkeit abhängt, dass die zugesagten Mittel tatsächlich fließen. Während Finanzierungen durch externe Investoren oft strengen wirtschaftlichen Kriterien unterliegen, können Gesellschafter­darlehen oder Kapital­erhöhungen unsicherer sein, wenn die Gesellschafter nicht über ausreichende Liquidität verfügen.

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Michael Seidel
Michael SeidelPartner

Praxisempfehlungen

Für Geschäftsführer von Start-ups ergeben sich aus dieser Rechtsprechung folgende Handlungsempfehlungen:

  • Sorgfältige Finanzplanung: Erstellen und aktualisieren Sie eine detaillierte und realistische Finanz­planung, die die erwarteten Einnahmen und Ausgaben rollierend für mindestens zwölf Monate abbildet.
  • Operatives Konzept entwickeln: Legen Sie ein schlüssiges operatives Konzept vor, das aufzeigt, wie und wann das Unternehmen die Gewinn­zone erreichen soll.
  • Herleitung der Planungs­prämissen: Unterlegen Sie Ihre Planung mit konkreten Maßnahmen (inkl. Zeitplan und Verant­wort­lichkeiten) sowie deren monetären Auswirkungen. Ein reine Planung ausschließlich in Tabellen­form ist nicht ausreichend.
  • Dokumentation der Investoren­kommunikation: Halten Sie regelmäßige Gespräche mit bestehenden und potenziellen Investoren fest und dokumentieren Sie deren Bereit­schaft zur weiteren Finanzierung.
  • Bewertung von Finanzierungs­zusagen: Es empfiehlt sich, die Bonität des Zusagenden zu prüfen und die Prüfungs­ergebnisse für die überwiegende Wahrschein­lichkeit der Zusage zu dokumentieren.
  • Regelmäßige Überprüfung: Überwachen Sie kontinuierlich die finanzielle Entwicklung und passen Sie die Prognosen bei Bedarf an, um frühzeitig auf Veränderungen reagieren zu können.

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